Die besonderen Herausforderungen eines CRO in Familienunternehmen

In wirtschaftlich schwierigen Phasen wird der Chief Restructuring Officer (CRO) zunehmend zur Schlüsselrolle im Unternehmen. Besonders herausfordernd gestaltet sich diese Aufgabe in Familienunternehmen, die nicht nur ökonomischen, sondern auch tief verwurzelten emotionalen, kulturellen und strukturellen Dynamiken unterliegen. Die Rolle des CRO bewegt sich hier im Spannungsfeld zwischen Tradition, Familienmachtstrukturen und unternehmerischer Zukunftssicherung.

Emotionale Verflechtung statt nüchterner Analyse

In familiengeführten Unternehmen sind Eigentum und Unternehmertum oft über Generationen hinweg eng miteinander verflochten. Das bedeutet: Entscheidungen sind selten rein rational. Stattdessen sind sie oft geprägt von persönlichen Bindungen, familiären Loyalitäten und einem hohen emotionalen Identifikationsgrad mit dem Unternehmen.

Für den CRO bedeutet das:

  • Veränderungen, die er strukturell notwendig findet (z. B. Segmentverkäufe, Personalabbau), stoßen oft auf tiefen Widerstand, nicht aus betriebswirtschaftlicher, sondern aus emotionaler Überzeugung.
  • Der CRO muss „weiche“ Faktoren mitdenken und kommunikativ hochsensibel agieren – besonders bei langjährigen Führungskräften mit familiärem Hintergrund.
 
Intransparente Machtverhältnisse und versteckte Hierarchien

Familienunternehmen zeichnen sich oft durch informelle Machtstrukturen aus, die nicht in Organigrammen erkennbar sind. Der patriarchale Seniorchef, die informell einflussreiche Gesellschafterin oder ein nicht operativ tätiger Familienbeirat können faktisch über zentrale Entscheidungen wachen – auch wenn die Geschäftsführung formal autonom ist.

CROs müssen:

  • sehr genau analysieren, wer wirklich Entscheidungen trifft,
  • politische Allianzen erkennen und managen,
  • informelle Einflusssträger frühzeitig einbinden, ohne autoritäres Auftreten.
 
Restrukturierung im Spannungsfeld zwischen Tradition und Erneuerung

Viele Familienunternehmen pflegen eine ausgeprägte Unternehmenskultur, die auf langfristige Beziehungen, Handschlagqualität und einen starken sozialen Zusammenhalt setzt. Restrukturierungen, die schnelle Schnitte verlangen, stehen dem oft diametral entgegen.

Die Herausforderung:
Der CRO muss oft Maßnahmen durchsetzen, die kurzfristig als „kulturfeindlich“ gelten – z. B. die Schließung eines seit Jahrzehnten bestehenden Standorts – und dennoch langfristig überlebensnotwendig sind.

Hier hilft oft ein Narrativ des Wandels, das nicht nur auf Effizienz, sondern auf die Zukunftsfähigkeit des Familienunternehmens abzielt. Der CRO muss sich also nicht nur als Sanierer, sondern auch als Übersetzer und Brückenbauer verstehen.

Kapitalbeschaffung und Eigentümerstrukturen

Kapitalmaßnahmen – ob durch Gesellschaftereinlagen, externe Investoren oder Verkäufe – stoßen in Familienunternehmen häufig auf Widerstände gegen Einflussverlust. Die Angst vor „Entfremdung“ oder „Zerschlagung“ ist groß.

Der CRO ist hier in der Rolle des Moderators, der:

  • externe Kapitalgeber überzeugen muss, trotz starker Eigentümerbindung zu investieren,
  • zugleich intern Vertrauen schafft, dass der Erhalt des Familienunternehmens im Mittelpunkt steht.
 
Rolle und Akzeptanz des CRO im Gesellschafterkreis

Ein CRO in einem Familienunternehmen bewegt sich oft auf einem schmalen Grat: Er ist weder Gesellschafter noch „Familie“, aber mit weitreichenden Befugnissen ausgestattet – oft auf Zeit. Seine Autorität muss er sich daher nicht nur durch Kompetenz, sondern vor allem durch Vertrauen und Fingerspitzengefühl erarbeiten.

Besonders kritisch:

  • Wenn der CRO als „Nothelfer“ gegen den Willen einzelner Familienmitglieder geholt wurde.
  • Wenn der CRO Kompetenzen übernimmt, die bisher in der Familie lagen (z. B. operative Geschäftsführung).

 

Fazit: Der CRO als Change-Architekt mit Empathie
Die Arbeit als CRO in einem Familienunternehmen verlangt mehr als Restrukturierungswissen. Sie verlangt ein tiefes Verständnis für menschliche Dynamiken, kulturelle Identitäten und unternehmerisches Selbstverständnis.

Der erfolgreiche CRO ist in dieser Konstellation Mediator, Veränderungsarchitekt und Strategieberater in einer Person – und damit oft ein entscheidender Faktor für das Überleben und die Zukunftsfähigkeit traditionsreicher Unternehmen.



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